Die Katathym-Imaginative Psychotherapie( KIP) ist ein auf der Grundlage der tiefenpsychologischen Theorie fußendes Psychotherapieverfahren, das die Fähigkeit des Menschen zur Imagination (bildliche Vorstellung) systematisch ausnutzt. Es wurde von Prof. Hanscarl Leuner in den 50iger Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelt. Leuner war damals nicht bekannt, das schon Andere zuvor ähnliche Techniken zur Beeinflussung der Psyche benutzt hatten und dies auch in Veröffentlichungen dokumentiert hatten. Er hat dies aber, nachdem es ihm bekannt wurde, stets erwähnt. Auch viele andere Therapierichtungen nutzen imaginative Verfahren. Die Imagination ist in der KIP zentraler Bestandteil und wird in der Ausbildung sehr intensiv und differenziert gelehrt und geübt. Früher hieß die KIP „Katathymes Bilderleben“, weshalb Viele im Jargon von „KB“ sprechen.
Wie geht das eigentlich?
Der praktische Ablauf ist so, daß der Patient in der Regel eine Anleitung zur Entspannung bekommt und die Augen schließen soll (beides ist nicht zwingend). Es erfolgt dann die Aufforderung des Therapeuten, sich etwas Bestimmtes vorzustellen, z. B. einen Baum. Dann soll die möglichst detaillierte Beschreibung des Imaginationsgegenstands durch den Pat. erfolgen, oft auch der Umgebung, Landschaft, des Wetters, etwa anwesender Personen etc. Die Dauer der Imagination ist normalerweise zwischen fünf und fünfundzwanzig Minuten. Voraus geht immer eine wenigstens kurzes Gespräch über das aktuelle Befinden und etwa wichtige Erlebnisse seit der letzten Therapiesitzung. Nach dem „Bildern“, wie wir KB’ler sagen, folgt eine meist nur kurze Nachbesprechung, die mehr dazu dient, spontane Einfälle zu sammeln und wieder Distanz zum Erlebten zu bekommen. Am Ende der Therapiestunde fordern wir die Patienten auf, das Geschaute zuhause zu Papier zu bringen und in der nächsten Stunde das gemalte Bild mitzubringen. Dann erst wird das Bild ausführlich besprochen, etwa vergleichbar mit der Analyse von Nachtträumen.
Ziele der KIP
Sinn der Übung ist, durch die auftauchenden Symbole einen nicht nur sprachlichen Kontakt zum Unbewußten des Pat. zu erhalten, also zusätzliche Daten für den tiefenpsychologischen Therapieprozeß zu gewinnen. Daneben wirkt das Bildern aber auch, wenn nicht Alles verstanden wird (vom Therapeuten und/oder vom Patienten), da durch die Imagination so etwas wie eine innere Bühne entsteht, ein geschützter Raum, in dem spätestens bei leicht fortgeschrittener Therapie oft ein Ausprobieren neuer Verhaltensweisen möglich wird, die im realen Leben (noch) nicht gewagt werden.
Wer kann damit behandelt werden?
Die KIP war ursprünglich für die klassischen „neurotischen“ Krankheitsbilder entwickelt worden, wie z. B. Phobien, leichte Depressionen, Hysterien etc. Im Laufe der Zeit wurden geeignete Veränderungen der therapeutischen Technik entwickelt, die auch die erfolgreiche Behandlung weiterer Erkrankungen wie Persönlichkeitsstörungen, psychosomatischer Krankheiten und funktioneller Störungen möglich machten, sodaß heute eigentlich bei geeigneter Technik alle einer tiefenpsychologischen Therapie zugänglichen Krankheitsbilder mit dem KIP behandelt werden können.
Warum KB? Weil’s Spaß macht!
Es scheint also möglich zu sein mit der KIP zu behandeln, aber warum sollte man es tun? Die Antwort, so scheint mir, ist ganz banal: jeder Therapeut, jede Therapeutin hat seine Vorlieben, jede(r) benutzt die Methode, die ihm/ihr am meisten liegt. Begründungen theoretischer Art sind zumeist sekundäre Rationalisierungen, die der Rechtfertigung dienen, aber kaum die wirklichen Gründe nennen. Also rate ich dazu, sich das KB, einfach mal auszuprobieren und dann zu entscheiden, ob man damit zurechtkommt, es einem Spaß macht. Wer es gut findet, der wird dabei bleiben. Jaja, ich weiß schon, das hört sich allzusehr nach Beliebigkeit an, es könnte auch Jemand eine Therapie entwickeln, die aus Eisessen besteht, weil das doch auch Spaß macht. Es ist schon richtig, eine Therapieform braucht zu ihrer Legitimation eine theoretische Grundlage, eine systematische Ausbildung, Effizienzkontrollen etc. und all das gibt es natürlich bei der KIP auch, aber seien wir mal ehrlich, vor allem machen es die meisten, weil es Spaß macht (die KB’ler sind ein genußfreudiges Völkchen) und natürlich, weil es den Patienten in der Praxis auch tatsächlich hilft.
Vorteile der KIP
Nun, genug des Subjektivismus, ich will doch noch einige Gründe aufführen, die das KB vielleicht auch in den Augen rationeller entscheidender TherapeutInnen und PatientInnen interessant machen könnte: Ursprünglich dachte Leuner wohl, mit dem KB ein Verfahren entdeckt zu haben, was die langen Behandlungszeiten der Psychoanalyse überflüssig machen könnte. Tatsächlich eignet sich die KIP auch in den Händen des erfahrenen Therapeuten sehr gut zur Fokussierung bestimmter Konflikte und es lassen sich u. U. rasch Effekte erzielen. Grundsätzlich jedoch brauchen therapeutische Prozesse ihre Zeit und Widerstände lassen sich nicht mit Gewalt überwinden und so bleiben meiner bescheidenen Ansicht nach im ganzen die Therapiedauern unverändert. Ich würde nicht behaupten wollen, das KB sei „besser“ oder schneller als andere Psychotherapieformen. In gewissem Umfang ermöglicht die KIP ein Umgehen oder eine Relativierung der Übertragung, weil nicht Alles auf die therapeutische Beziehung übertragen werden muß, sondern Einiges im Bilderraum stattfinden kann. Das Bild liefert gerade für bestimmte nicht so sprachmächtige Patientengruppen ein zusätzliches Medium der psychotherapeutischen Arbeit und kann so eine Erleichterung sein, kann auch das Einbinden vorsprachlicher Themen in die Therapie erleichtern. Bei Menschen, die stark zur Rationalisierung neigen, kann die Bilderwelt den Zugang zu Gefühlen erst eröffnen.
Formalitäten
Last not least: die KIP ist als Bestandteil zur Anwendung im Rahmen der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie zugelassen, wird also von den Krankenkassen bezahlt und anerkannt. Auch ist sie als Therapieverfahren im Rahmen der Ausbildung von Psychotherapeuten zugelassen. Informationen über die KIP bei https://agkb.de/.
© Martin Mikoleit, Bielefeld, martin.mikoleit(at)gmx.de
Der Text gibt nur meine persönliche Meinung wieder und ist kein offizielles Dokument der AGKB oder anderer Organisationen.